Tag 1

Immer wieder ein niederschmetterndes Gefühl, wenn man bereits auf Seite 17 scheitert: Ich lese in dem Buch »Die Kraft eines fokussierten Lebens« von Johannes Hartl. Auf Seite 17 kommen drei kleine Satzanfänge:
• Ich möchte nie ein Mensch werden, der …
• Am wichtigsten im Leben ist mir …
• Meine Kinder sollen einmal über mich sagen, dass …

Ich denke eine Minute darüber nach und möchte das Buch schon in die Ecke werfen. Denn ich bin in einem ganz zentralen Punkt genau der Mensch, der ich nie werden möchte. Ich habe keine Ahnung, was mir – jenseits der aus der Pistole geschossenen Floskelantworten – wichtig ist. Und ich habe noch nicht einmal Kinder; und selbst wenn ich dafür »Nichte und Neffe« einsetze, ist mir klar, dass das, was ich als deren Bild von mir gerne hätte und der tatsächlichen Antwort eine sehr breite, tiefe Lücke klafft. Abgesehen davon, dass sie sich kaum über mich Gedanken machen werden, wozu auch.

Hartl führt dann aus, man brauche auch gar nicht die große Lebensvision, wichtiger sei ein Fokus. Und man solle mit einem kleinen Problem, das man schon lange aufgeschoben habe, beginnen. Also schreibe ich die E-Mail, die ich schon ewig vor mir hergeschoben habe, und das ist auch gut. Aber ehrlich gesagt: So komme ich in hundert Tagen nicht weiter. Allenfalls ist dann das Haus aufgeräumt.
Aber ich werfe das Buch nicht weg, es ist die Zeit des Dranbleibens, ich lese weiter.

Erste Lektion: Einen Fokus – man kann wohl auch einfach „Ziel“ sagen – zu entwickeln, ist das Entscheidende. Bei der Auswahl des Zieles geht es nicht darum, welches leicht zu erreichen ist. Vielleicht ist das ein automatischer Fehler; man guckt, „was einem liegt“, wofür man sich in der Lage fühlt. Aber es geht um die Wertigkeit des Ziels. Das Erreichen mag insbesondere am Anfang mühsam sein, aber das würde sich geben. Klingt banal, bewirkt aber tatsächlich etwas in meinem Kopf. Wenn es ums Schrieben geht, sagt man gerne „Schreib‘ über etwas, das du kennst“. Bei Zielen, beim Fokus, scheint das anders zu sein.
Und: klein anfangen. Man nähert sich dem Ziel, und das (wie anhand des inflationären Schachbrett-Reiskörner-Beispiels erläutert wird), überproportional.
Aber Hauptsache, das alte Linnemann-Gedröhne: einfach mal machen! Also anfangen. Durchhalten.
Die Übung „Überlege, wann in deinem Leben du schon das Flow-Gefühl erlebt hast und wie es sich angefühlt hat“, lasse ich mal aus. Denke ich vielleicht nachher beim Job drüber nach. Jetzt noch das „Geheimnis 2“ über den Fokus lesen.


Zweite Lektion: Es geht um den Satz „So bin ich nun mal“. Und dass der Mist ist. Sehr nachvollziehbar. Wenn ich bleiben will, was und wer ich bin, dann stehe ich ab morgen nicht mehr auf, sondern lese nur noch Romane und esse Salzstangen. Das kann’s nicht sein, schon klar. Es geht also wieder ums Machen. Der Sportler treibt Sport, die Malerin malt, der Christ betet zu Gott, die Freiheitsliebende kündigt den Angestelltenjob. Wenn das die Ziele sind. Ziel und Machen schlägt „Ich denke mal darüber nach“. Auch logisch.
Nun soll man aus einer Liste spontan drei Begriffe aussuchen, die einen ansprechen. Daraus soll man einen Satz machen, mit vorgegebenem Anfang. Nun: „Ich wähle Mut, Glaube und Mäßigung, weil ich ein Mensch sein will, der zu dem steht, woran er glaubt und sich auf das Wesentliche konzentriert – auch wenn es nicht der einfache Weg ist.“

Dritte Lektion: es folgt ein Vergleich mit dem Tierreich. Die einen, die aus der Angst heraus immer alles im Blick haben und Dinge gleichzeitig machen müssen, da die Gefahr besteht, gefressen zu werden. Auf der anderen Seite die Tier, die ihre Beute konzentriert beobachten, sich nicht ablenken lassen und zuschlagen, wenn der Moment gekommen ist. Klar, an wem man sich ein Beispiel nehmen soll. Präsent sein. Nicht drei Sachen gleichzeitig und damit keine richtig machen.
Übung: Mache eine kurze Liste von Dingen, die dich momentan nerven oder vor denen du Angst hast: Dass ich so wenig Geld verdiene, dass ich alt werde, dass andere über mein Leben bestimmen, dass mir der Sinn fehlt, dass ich keine Vespa habe, dass wir zu viel unternehmen und verreisen, dass der Job oft so nervig und langweilig ist, dass ich Hamburg echt saublöd finde, dass ich die Gegend hier so langweilig und fett finde, dass es mit vielen nahen Menschen so anstrengend ist, dass mir die Inspiration fehlt, dass ich oft so unkonzentriert bin. Und so weiter, das könnte jetzt noch ewig so gehen.
Jetzt soll ich schauen, was davon für mich in 10 Jahren noch relevant sein wird. Alles andere einfach streichen. Und mich dann, na klar, fokussieren.
Und am Schluss dieses Kapitels steht die Aufforderung, eine Vision für sich zu entwickeln. Etwas zu bewegen statt sich nur anzulehnen. Überzeugendes Bild.
Morgen geht’s weiter.