Tag 0
Es gab diesen Moment, als ich in einem dieser Bücher las, die ein schönes Cover, einen zugkräftigen Titel und gar nicht mal so viele Seiten haben. Es ging um: das fokussierte Leben. Wie man seine Ziele verwirklicht, dranbleibt, sich entspannt, um Kraft zu schöpfen, sich Gewohnheiten aneignet, um das Leben in seinem perfekten Rhythmus effektiv zu gestalten. Und ich dachte mir: toll; aber ich habe gar kein Ziel. Und dann dachte ich weiter nach. Und merkte, da ist etwas in mir, das absolut leer ist. Da war doch mal was. Wo ist denn das hin? Aber eigentlich auch egal, wenn es sich verabschiedet hat, dann war es wohl nicht so wichtig. Mir geht’s doch gut. Und dann ließ ich mir diesen Satz noch einmal durch den Kopf und die Seele gehen und merkte – das stimmt gar nicht. Natürlich geht es mir auf vielen Ebenen gut. Auf anderen aber gar nicht. Und das sind zwar Ebenen, die man offensichtlich ganz gut ausblenden kann. Solange man auf der Eisfläche herumschlittert. Aber wenn man das Gesicht einmal auf die Eisfläche presst, dann merkt man, unter einem ist etwas, das in seiner verschwommenen Undurchsichtigkeit richtig Angst macht. Was ist das? Meine Ahnung: Das ist das, was die Menschen meinen, wenn sie von einem »gelungenen«, einem »erfüllten« Leben sprechen. Etwas, auf das man irgendwann glücklich zurückschaut. Mein Leben ist okay. Ich habe in vielen Dingen Glück gehabt, in anderen richtig Pech. Aber insgesamt geht es mir deutlich besser als einem Großteil der Menschheit. Luxusprobleme also? Klassische First-World-Sinnkrise? Mag sein. Aber sie ist da. Nicht mehr zu ignorieren. ich bin an einem Punkt in meinem Leben (rein biologisch), wo es höchste Zeit wird, wenn ich noch etwas ändern will. Aber was? Und wohin soll’s gehen? Keine Ahnung. Wie also vorgehen? Ich habe mich entschieden, mich jetzt einmal 100 Tage lang mit diesem Thema zu beschäftigen. Zu schauen, ob ich nicht herausfinde, was fehlt. Oder zu entdecken, wo in meinen Gedanken die falsche Abbiegung ist. Denn das kann ja auch sein. Dass eigentlich alles gut ist, ich es nur übersehe.
Und jetzt geht es also los. 100 Tage lang werde ich versuchen, durch Lesen, Denken, Beobachten, Wahrnehmen, Nachdenken, Infragestellen meinen Kompass neu zu justieren; die Leerstelle, die sich irgendwann eingeschlichen hat, wieder mit Substanz zu füllen. Ergebnis? Offen.