Tag 4
Gestern Abend habe ich ein kleines Video von den Kohlmeisen, die zu zweit am Meisenknödel vor meinem Fenster hängen, gemacht; und es war das vielleicht Erfüllendste der ganzen Woche. Herrje. Auf was für einem Trip bin ich da gerade?
Heute Morgen habe ich es mit einem Tipp ausprobiert und kalt geduscht. Eine Sekunde. Morgen dann zwei. Ich weiß nicht, ob das mein Leben verändert, aber etwas daran fühlt sich richtig an.
Ansonsten bin ich endlich einmal ausgeschlafen. Keine Pflichten heute. Habe ein wenig im Buch gelesen, das wohl nicht das richtige für mich ist. Und wieder der alte Frankl Satz von der Würde, die in der Lücke zwischen Reiz und Reaktion steht. So wahr. Und dann wurde die Frage gestellt, wie es mir heute geht. Und ich dachte, gut, alles in Ordnung, schöner Tag, passt alles. Blätterte die Seite um, und da stand dann: Und wie geht es dir … wirklich? Zack, stürzt das Kartenhaus zusammen.
Ich habe meistens das Gefühl, mein Problem ist nur durch Glauben zu lösen. Dann kippt es, und ich denke, da ist gar nichts zu lösen. Und dann sitze ich da alleine und merke: Es muss noch eine andere Antwort geben. Keine Ahnung, wie ich sie finde. Ich höre „Der Kaiser der Freude“ von Ocean Vuong, bin ergriffen von der Geschichte und hingerissen von der Sprache. Und merke, mir fehlt im Gedächtnis ein ganzer Absatz, den ich gestern gehört habe. Es gibt eine Szene, da tut einer der Jungs so, als würde er eine imaginäre Fliege fangen. Der andere Junge fragt, ob er sie erwischt habe, Junge 1 öffnet die Hand und sagt: nein, ist entwischt. Exakt so fühlt es sich an.
In dem Buch geht es jetzt um Glauben. Hartl sagt, wer mag, kann es überspringen. Für mich ist es eher das wichtigste Kapitel. Eine der Übungen ist, ein paar Sätze laut (oder leise) auszusprechen. Bei „Gott, danke, dass du mich liebst und wolltest, dass es mich gibt.“ halte ich inne. Eine ganze Zeit lang kann ich die zweite Hälfte nicht aussprechen. „Ich lass los, was mich hält, und öffne mich dem Neuen“.
Und dann schließt sich das Thema Stille an. Folgerichtig. In die Wolken blicken, white noise, die Natur wahrnehmen und nicht beim Spazierengehen über etwas nachdenken oder beurteilen. Auf Medien verzichten, den Tag in Stille anfangen, ja, die Stille für ein paar Tage suchen. Das sind Dinge, von denen ich mich angesprochen fühle. Auch wenn ich nicht weiß, ob sie der Leerstelle entgegenwirken. Aber es ist ein Lebensstil, der mir guttun könnte.
Morgen folgt das letzte Kapitel.
Ich denke jetzt erst einmal nach.